Neues aus Guangzhou

Sat, September 26, 2015, 03:28



Hallo allerseits,

schon mal versucht einen chinesischen Busfahrplan zu lesen? Glaubt mir, das klappt genauso gut, wie man es sich vorstellt - nämlich überhaupt nicht!


So saßen Jana und ich an unserem ersten Tag in der Uni im Bus und wussten weder eine Haltestelle, noch hatten wir irgendeinen anderen Anhaltspunkt, wo wir aussteigen könnten. Wir wussten, dass wir ungefähr eine Stunde fahren und dass da irgendeine Brücke sein muss. Das hilft einem besonders viel, wenn eine Stadt nur so von Brücken wimmelt und der Bus je nach Verkehr eine oder auch drei Stunden brauchen kann. Man hat uns wohl angesehen, dass wir ein wenig überfordert waren. Jedenfalls hat uns eine sehr nette Chinesin namens Helen dann die richtige Haltestelle gezeigt. Das erste Problem haben wir also erfolgreich jemanden anders lösen lassen, doch immerhin standen wir nun an der richtigen Haltestelle. Von hier aus sollte es kein Problem sein, zur Uni zu kommen. War es auch nicht, wenn man sich den strömenden Regen weg denkt, der uns innerhalb einer Minute komplett durchgeweicht hat. Einen "Umblella" hatte natürlich keiner dabei ...



Pitschnass fanden wir uns endlich in unserem Klassenzimmer, welches erstaunlicherweise voll von Afrikanern war, wieder. Der Unterricht hatte schon seit 20 Minuten begonnen!


Wie wir mit dem Bus in die Uni kommen, wussten wir nun, und damit es nicht langweilig wird, haben wir am nächsten Tag die Metro ausprobiert. Aber auch da muss man erstmal hinkommen und natürlich kommt immer ein Bus, nur dann nicht, wenn man einen braucht. Also habe ich mich kurzerhand auf ein Moped-Taxi geschwungen und bin zur Metrostation gesaust.



Eines muss man der Metro lassen: Sie ist zwar teurer als der Bus, aber sie ist um einiges ausländerfreundlicher. Alles wird sowohl chinesisch als auch englisch angezeigt und Gott sei Dank haben wir von solchen Szenarien (siehe oben) auch noch nichts mitbekommen. Bis jetzt haben wir immer reingepasst, und wenn man sich ganz nach chinesischer Manier schnellstmöglich in die Metro drängelt, besteht sogar die Möglichkeit, einen Sitzplatz zu ergattern.
Angekommen am anderen Ende der Stadt mussten wir wieder in den geliebten Bus umsteigen und sind natürlich prompt in die falsche Richtung gefahren. Als wir das bemerkt und die Richtung korrigiert hatten, hatte der Unterricht schon längst begonnen. Und wieder konnten wir unserem Ruf als Deutsche alle Ehre machen.



Es wird nie langweilig auf den Straßen von Guangzhou. Immer wieder laufen einem interessante, neue Sachen über den Weg.


Ich habe einen kleinen Schock bekommen, als wir diesen Stapel Bücher in die Hand gedrückt bekommen haben. Angeblich haben wir ihn bis Dezember durchgearbeitet. Doch bis jetzt macht die Uni wirklich Spaß. Es ist toll, sich zur Abwechslung mal mit Menschen zu unterhalten, die englisch sprechen und älter sind als 4 Jahre.
Wie schon gesagt kommen ungefähr 80% meiner Klassenkameraden aus Afrika, darunter auch ein paar aus der portugiesischen Kolonie Angola. Wer hätte gedacht, dass mein Portugiesisch sich in China als so nützlich erweisen würde.

In einer Klasse üben wir ausschließlich die Aussprache von Wörtern, die alle gleich klingen. Nur unsere Lehrerin ist noch immer steif und fest vom Gegenteil überzeugt. Sie hört nicht auf zu betonen: "They are different, you know?" Extra für euch habe ich diesen wunderschönen Singsang sogar aufgenommen, aber das Format wird hier nicht anerkannt. Vielleicht könnt ihr es euch trotzdem vorstellen. Hier eine kleine Hilfe:


Sicher habt ihr auch schon etwas von den wunderbaren chinesischen Tönen gehört. Kantonesisch, was vor allem in Hong Kong gesprochen wird, hat sogar sieben davon. Da kann ich mit meinen läppischen vier Tönen noch von Glück reden.


1. Ton: mā (Mama) / 2. Ton: má (Hanf) / 3. Ton: mǎ (Pferd) / 4. Ton: mà (schimpfen)

Es gibt noch ein fünftes "ma". Dieses ist allerdings tonlos und wird "neutral in der stimmlichen Mittellage gesprochen". Solltet ihr eine Mutter nicht aus Versehen als Pferd oder Hanf bezeichnen wollen, empfiehlt es sich, diese Töne zu lernen.
Besonders erfrischend sind Übungen, wie dieser chinesische Zungenbrecher. Das Eintippen macht schon richtig Laune und dabei unterscheiden wir hier nur zwischen erstem und zweitem Ton.

sì shì sì
shí shì shí
shí sì shì shí sì
sì shí shì sì shí
sì shí bú shì shí sì
shì sì bú shì shí

Mein Lieblingsfach ist der "Integrated Course". Erstens ist die Lehrerin toll und zweitens lernen wir hier auch etwas zu den chinesischen Schriftzeichen. Wenn man erst einmal versteht, wie sich die Zeichen zusammensetzten, lassen sie sich gleich viel besser merken. Ganz nebenbei lernt man noch etwas über das alte China. Hier ein paar Beispiele:

安 (ān) Dieses Zeichen bedeutet "sicher". Es ist zusammengesetzt aus dem Zeichen für Frau 女 und dem Radikal für Dach 宀. Heißt also, man ist sicher, wenn man eine Frau unter seinem Dach hat.

家 (jiā) Ein Familie ist erst dann komplett, wenn man ein Schwein im Haus hat. Wenn man das Zeichen ein bisschen dreht, erkennt man viel Fantasie 豕 ein Schwein. In Kombination mit dem Zeichen für Dach bedeutet es tatsächlich "Familie" oder "gesundes Heim".

学 (xué) Diesmal handelt es sich um kein Dach, sondern um eine Mütze. Diese Mütze war Teil der traditionellen Schuluniform. Zusammen mit dem Zeichen für Junge 子 ergibt das "lernen". Schreibt man es zusammen mit dem Zeichen für Leben 生, kommt man auf das Wort für Schüler 学生 (xuéshēng).

星 (xīng) Jenes Zeichen bedeutet "Stern" und ist ebenfalls aus zwei Radikalen zusammengesetzt. Weniger gestaucht, aber trotzdem gut erkennbar seht ihr hier das Zeichen für Sonne 日. Dieses wird von dem Zeichen für Leben oder auch Geburt 生 getragen.

Aber wir müssen auch selber schreiben. Das sieht ungefähr so aus:


Vor der Uni gibt es eine sensationelle Straße mit sensationellem Essen für sensationelle Preise. Einer unserer Lieblingsstände ist die Smoothie Bar. Die Säfte sind so unglaublich gut, dass es kein Wunder ist, wenn wir schon zu den Stammkunden zählen.



Vor ungefähr einer Woche sind meine Gastmutter, Jana, Franzi und ich mit den Kindern in den Zoo gefahren. Schon vor diesem Besuch ist uns klar geworden, dass Chinesen es weder mit Umweltschutz haben, noch sich besonderer Tierfreundlichkeit rühmen können. Vor allem, wenn sie im Restaurant lebendige Fische vor deinen Augen in Plastiktüten stecken, diese achtlos auf den Boden werfen und dir den Fisch dann schön dekoriert auf einem Teller kredenzen, hört bei mir der Spaß auf.
Im Zoo durfte sich jedes Kind drei Fische fangen. Wir waren so naiv zu glauben, dass die Fische dann wieder zurück in ihr Becken kommen und "fröhlich" ihr Fischdasein genießen können. Aber nein! Auch diese Fische wurden in Plastiktüten gesteckt (diesmal mit Wasser) und mit nach Hause genommen. Sie sind inzwischen tot.




Zu guter Letzt will ich euch noch etwas über meinen Geburtstag erzählen. Eure lieben Wünsche haben geholfen. Ich hatte einen richtig schönen Tag. Zugegeben ging es etwas ungewohnt los. Normalerweise werde ich mit einem "Alles Gute zum Geburtstag" begrüßt. Aber als ich mich an den Frühstückstisch gesetzt habe, kam nicht einmal ein "Guten Morgen". Später hat sich Ida zu mir gesetzt und sich entschuldigt, dass sie keine Zeit hatte, ein Geschenk zu kaufen und mir deswegen etwas Geld schenken würde. Bis 17:00 Uhr war ich daraufhin allein zuhause und konnte mich schon seelisch auf das kommende Ereignis einstellen.
In China gibt es kein Karaoke, sondern nur KTV, was so ziemlich das Gleiche ist. Allerdings mietet man sich hier gleich einen eigenen Raum, ausstaffiert mit Sofas, eigener Toilette und jede Menge Fernsehbildschirmen. Draußen kann man sich den Bauch am Buffet mit unglaublich vielen Köstlichkeiten vollstopfen.
Mein Gastbruder hat sich auf einmal von einer ganz anderen Seite präsentiert. Wir wollten alle unseren Augen nicht trauen, als der sonst eher cholerische Jim anfing, eine Liebesballade nach der anderen zu singen. Jan-Niklas, auch ein Au pair, hat mir ein selbst gebackenes Schwarzbrot mit Käse, Butter und Wurst geschenkt. Ich muss wohl nicht dazu sagen, dass er auch aus Deutschland kommt. Jana und Franzi haben den leckeren Früchtekuchen gebacken.


Den Vogel hat aber mal wieder unsere allerseits geliebte Kathy abgeschossen. Sie hat mir meine bisher spektakulärste Geburtstagstorte geschenkt. Ersteinmal hat sie das Personal zur Schnecke gemacht, da sie vergessen hatten, die Torte in den Kühlschrank zu stellen und dann hatte sie ihrer Tochter Jessie noch hoch und heilig versprochen, dass sie die Barbie aus dem Kuchen bekommt.


Alles endete in einem kleinen Drama, da natürlich alle kleinen Mädchen die Barbie haben wollten. Ihr hättet mal Luckys Gesicht sehen sollen, als ich verkündet habe, dass ich die Barbie behalte.


Weil mich alle fragen, was ich so bekommen habe, gibt es zum Schluss noch ein Bild von meinen Geburtstagsgeschenken. Nicht zu übersehen thront da DIE Barbie mit übernatürlich dünnen Beinen. Außerdem habe ich noch ein paar schöne silberne Ohrringe, ein chinesisches Trinkspiel (den Würfel), ein Armband und ein Buch über chinesische Kunst bekommen. In der Kiste mit den Blumen steckt ein 1,5mx0,5m großes Bild, welches ich selber sticken muss. Solche Bilder gibt es hier wie Sand am Meer (ähnlich wie die brasilianischen Blumengemälde), gehören aber eher nicht zu den Dingen, mit denen ich meine Wohnung dekorieren würde. Mit dem Garn habe ich gestern mit Lucky Armbänder und Ketten gebastelt. Es ist also trotzdem ein sehr nützliches Geschenk.


Das war's fürs erste mal wieder.
Ich hoffe, euch geht es gut da drüben im kalten Deutschland. (Meine Klimaanlage steht auf 27°C und es kommt mir direkt angenehm frisch vor.)

再见 Zàijiàn (Auf Wiedersehen)

Eure Romi

Kommentare

Posted by Ein Follower aus Bannewitz Sun, September 27, 2015, 16:03
Und was machst du mit der Barbie?
Ken
Posted by Another Follower Sun, September 27, 2015, 16:08
Is doch klar: Verhindern, dass die kleinen Weiber sie bekommen.